Ich brauche keine Malediven. Ich habe den Zugersee. Sommer für Sommer verbringen wir hier unsere Ferien. In einem Haus direkt am See. Nur ein Schilfgürtel trennt das Grundstück vom Wasser. Wenn wir baden wollen, schieben wir das Schilfrohr auseinander und schwimmen Auge in Auge ...
Ich brauche keine Malediven. Ich habe den Zugersee. Sommer für Sommer verbringen wir hier unsere Ferien. In einem Haus direkt am See. Nur ein Schilfgürtel trennt das Grundstück vom Wasser. Wenn wir baden wollen, schieben wir das Schilfrohr auseinander und schwimmen Auge in Auge mit den Taucherli in den See hinaus.
Als die Kinder klein waren, paddelten wir auf den Surfbrettern zur Vogelinsel hinüber. Oder den kleinen Bach hinauf, von der Mündung bis zur Brücke. Links Kuhweiden, rechts das Anwesen eines Ex-Pharma-Chefs. Der Bach mäandert unter tief hängenden Bäumen, ein Abenteuer wie auf dem Amazonas. Am Abend schnappten sich die Kinder, unermüdlich, noch einmal die Surfbretter und planschten in der Bucht im goldenen Licht der untergehenden Sonne.
Manchmal gab es Tränen. Wenn Zecken auf der Haut die Kinder in Angst und Schrecken versetzten oder sich jemand im seichten Wasser einen rostigen Nagel so tief in den Fuss trat, dass nur ein Arzt ihn ziehen konnte.
Stets herrschte ein Kommen und Gehen, der ganze Familienclan traf sich hier. Mein Papa aus Wohlen bog manchmal plötzlich auf dem Rennvelo um die Hausecke, im Rucksack frische Kirschen von einem Hof unterwegs. Meine Mama las den Kindern im Schatten eines Baumes Bücher vor. Wenn wir Deutschland, Italien oder die Schweiz um den WM-Titel spielen sehen wollten, wanderten wir durch den Wald ins Dorf und schauten uns bei einer Pizza die Spiele an. Die Kinder sind erwachsen, an den See fahren wir noch immer. Nirgends, sagen die Jungen, erholen wir uns so gut wie hier. Die Stille, die Schönheit, es liegt ein Zauber über diesem Ort. Das fröhliche Tohuwabohu ist ruhigeren Aktivitäten gewichen. Zeichnen, schwimmen, chillen, grillen, alles unendlich entspannt.
Natürlich schauen wir auch dieses Jahr Fussball. Nicht mehr in der Pizzeria im Dorf, sondern am Laptop auf der Terrasse. Und wenns langweilig wird auf dem Bildschirm, wandert der Blick über den See zu den Lichtern von Zug und hoch zum Sternenhimmel, der auf den Malediven nicht schöner sein könnte. Wer weiss, vielleicht stand dort, in den Sternen, das Schicksal der Schweizer Nati schon vor dem Spiel geschrieben? Seis drum. Die Tage am See sind für uns auch ohne Schweizer WM-Traum ein Sommermärchen.