Leben auf Kosten anderer
24.07.2018 KircheVeggie-Grillplausch der reformierten Kirche für einen bewussten Fleischkonsum
«Weshalb sollte uns mehr Ackerland zur Verfügung stehen als anderen Menschen auf dieser Welt?», fragt Pfarrer Ueli Bukies kritisch. Die reformierte Kirche Wohlen beschreitet ...
Veggie-Grillplausch der reformierten Kirche für einen bewussten Fleischkonsum
«Weshalb sollte uns mehr Ackerland zur Verfügung stehen als anderen Menschen auf dieser Welt?», fragt Pfarrer Ueli Bukies kritisch. Die reformierte Kirche Wohlen beschreitet deshalb neue Wege.
Joël Gattlen
«2000 Quadratmeter Ackerland und 4500 Quadratmeter Weideland stehen jedem Erdenbürger pro Jahr zur Verfügung. Auf dem Ackerland müssen alle Lebensmittel wie Reis, Obst, Gemüse usw. gedeihen, die wir während einem Jahr konsumieren. Auf der Fläche muss aber auch sämtliches Tierfutter, das nicht von Weiden stammt, Baumwolle für unsere Kleider, Tabak für Raucher oder die Rohstoffe für Biodiesel für Autos oder Biogas für Strom und Wärme angebaut werden», erklärt der reformierte Pfarrer Ueli Bukies.
In Europa und auch in der Schweiz selbst benötigt der Durchschnittsmensch jedoch wesentlich mehr als 0,2 Hektaren Ackerland. «Doch weshalb sollte uns mehr Fläche als anderen Menschen zur Verfügung stehen?», fragt Bukies kritisch.
Ein US-Amerikaner isst 30 Mal mehr Fleisch als ein Inder
Grund dafür, dass viele Europäer mehr als die ihnen zustehende Ackerfläche benötigen, ist insbesondere der Fleischkonsum. Mittels der Ackerfläche von 0,2 Hektaren lassen sich beispielsweise innerhalb eines Jahres lediglich zwei Schweine bis zum durchschnittlichen Schlachtgewicht von 115 Kilogramm mästen. Diese decken beispielsweise knapp den jährlichen Schweinefleischverbrauch von fünf Deutschen. Hier wird besonders klar, warum viele Europäer mit ihren 2000 Quadratmetern schlichtweg nicht auskommen können.
Der durchschnittliche Fleischkonsum in Europa liegt bei 85 Kilogramm pro Person pro Jahr. In der Schweiz ist der durchschnittliche Verbrauch gemäss der Branchenorganisation «Proviande» mit rund 50 Kilogramm jedoch deutlich niedriger. Zu den Spitzenreitern gehören mitunter Australien und die USA, wo der Pro-Kopf-Verbrauch zirka 120 Kilogramm pro Jahr ausmacht. In Indien isst der Durchschnittsbürger hingegen gerade einmal rund 4 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Weltweit steigt der Fleischverzehr, insbesondere in den Schwellenländern, noch immer. Er hat sich in den letzten 45 Jahren von knapp 100 Millionen Tonnen auf über 300 Millionen Tonnen verdreifacht.
Fleischkonsum als Genuss, aber mit Mass und Respekt
«Ich persönlich esse sehr gerne Fleisch. Doch die Menschen sollten dieses meiner Meinung nach bewusster konsumieren. Ideal wäre zudem ein reduzierter Fleischkonsum», konstatiert Bukies. Er selbst hat seinen Verzehr auf maximal 18 Kilogramm pro Jahr, also 1,5 Kilogramm pro Monat, reduziert. «Dies insbesondere aus Respekt und ethischen Gründen gegenüber unseren Mitmenschen auf dieser Welt. Aber auch aus Respekt gegenüber den Tieren und aus gesundheitlichen Gründen.»
Beeinflusst hat ihn dabei das Projekt «2000 Quadratmeter Weltacker» in Nuglar-St. Pantaleon im Kanton Solothurn nahe der Stadt Basel. Dieses besuchte er im Rahmen eines Seniorenausfluges der reformierten Kirche Wohlen. Auf dem Gelände des Schauackers gibt es unterschiedlichste Posten zum Thema Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt. «Das war eine sehr eindrückliche Erfahrung für mich und ich kann es jedem nur empfehlen.»
Zwei weitere Gelegenheiten
Aus diesem Grund und aufgrund eines Gespräches mit einem jüngeren Kirchgemeindemitglied keimte bei Bukies die Idee für einen Veggie-Grillplausch auf. Dieser fand am Donnerstag zum ersten Mal statt und wird an den kommenden zwei Donnerstagen nochmals durchgeführt werden. Der gesellige Anlass findet jeweils vor der reformierten Kirche Wohlen statt. «Jeder bringt mit, was er oder sie essen und trinken möchte. Willkommen ist alles Fleischlose, was nicht durch den Rost fällt. Zum Beispiel ein Grillkäse, Gemüsespiesse oder Maiskolben. Es gibt viele Möglichkeiten. Ein Grill ist vorhanden. Wenn jemand aber dennoch eine Wurst oder ein Fleischstück mitbringen möchte, finden wir auch dafür ein Plätzchen», sagt Bukies. Gemeinsam wird gegessen und über Gott und die Welt sinniert.
Probleme mit Jugendlichen und Kiffern in den Griff bekommen
Der Grillplausch lädt auch dazu ein, das Gelände der Kirche als herrliche Oase des Rückzugs und der Erholung zu erleben. Gerade im Sommer lädt die kleine und ruhige Parkanlage mit ihren schönen Schatten spendenden Kastanienbäumen zum Verweilen ein. Ein Umstand, den nicht nur die Kirchgänger und Kirchgemeindeangehörigen zu schätzen wissen. «Vor ein paar Jahren hatten wir massive Probleme mit Jugendlichen und Kiffern, welche das Gelände als Rückzugsort benutzten», konstatiert Bukies. Der Platz war regelmässig regelrecht zugemüllt.
Doch die Situation habe sich massiv verbessert. «Mittlerweile patrouilliert die Polizei regelmässig vor Ort und wir haben Verbotsschilder aufstellen lassen. Die Massnahmen haben Wirkung gezeigt.» Aktuell haben sich die Probleme eher zum reformierten Kirchgemeindehaus verlagert. Bukies betont: «Dort haben wir bislang noch keine Schilder aufgestellt.» Dennoch sei die Situation auch dort nicht so schlimm wie noch vor einigen Jahren. Auch hier gelte das Prinzip des Respekts gegenüber Mitmenschen. «Ein Platz sollte stets so verlassen werden, wie man ihn angetroffen hat.»

