Wohlen: Jenny und das Bärenland

  04.07.2018 Region Wohlen

Im Hintergrund strahlt die eindrückliche Bergwelt von Arosa. Die Sonne scheint. Pascal Jenny lächelt und sagt: «Wunderschön, nicht?» Er sitzt im Hotel «Blatter’s Bellavista» in Arosa. Er empfängt diese Zeitung zum Gespräch. Es geht hauptsächlich um das «Arosa Bärenland». Das 6,5-Millionen-Franken-Projekt, das von Jenny lanciert wurde. Doch wenn man mit Pascal Jenny spricht, ist die Gefahr gross, das man viele andere Themen bespricht. Denn er ist ein Tausendsassa, ein Multitalent und einer, der nie ruhig sitzen kann. Nicht umsonst wählte das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» den Wohler als eine der 100 wichtigsten Persönlichkeiten der Schweizer Wirtschaft.

Ur-Urgrossvater August Jenny war schon in Arosa

Für ihn sei es «jugendlicher Spass». Und er habe sein Hobby zum Beruf gemacht. Er sei «ehrgeizig wie im Handball», erklärt er. Dort schaffte er es auf 348 Partien in der höchsten Schweizer Liga, er wurde Captain der Schweizer Nationalmannschaft und absolvierte 74 Länderspiele. Sein Ehrgeiz ist gross, sein Hang zum Perfektionismus riesig und seine Belastbarkeit ist beinahe unendlich. Der Sport sei für ihn eine Lebensschule gewesen. «Vieles, was ich im Sport gelernt habe, brauche ich nun im Job», sagt Jenny.

Seit dem 1. Juli 2008 wirkt er als Tourismusdirektor von Arosa. Besonderes Detail: In der Bündner Berggemeinde war von 1903 bis 1910 schon sein Ur-Urgrossvater August Jenny als allererster Kurdirektor tätig gewesen. In den vergangenen zehn Jahren hat Jenny viel bewegt und einige Events vorangetrieben. Beispielsweise die Schneefussball-WM, das Classic-Car-Bergrennen, das Humorfestival, einen Gigathlon-Anlass, das Handball-Unternehmer-Forum – und so weiter. 2016 wurde die von Jenny geprägte «Eventstrategie» von Arosa Tourismus in der Kategorie «Innovation» mit dem Schweizer Tourismuspreis «Milestone» ausgezeichnet.

Nur fünf Stunden Schlaf

Aktuelles Beispiel für die Anlass-Flut: Vor zwei Wochen gab es ein Mega-Wochenende in Arosa: Am Freitag war die Tour de Suisse zu Gast, am Samstag und Sonntag fand das Bündner-Glarner Kantonalschwingfest statt. «Man muss eben was machen», lacht Jenny. Und er macht immer was. Er habe sich über die Jahre angeeignet, nur mit fünf Stunden Schlaf auszukommen. Denn neben der Arbeit hat er auch noch eine Frau und drei Kinder.
Er will mit «seinem» Arosa herausstechen, sich abheben – einzigartig sein. Besonders im Sommer, denn dann hat der Wintersportort wenig Gäste. Die Konkurrenz ist gross, die Euro-Krise von 2008 hallt nach. «Wir sind gezwungen zu Aktivitäten». Dies hat man vor zehn Jahren so entschieden, als er neuer Tourismusdirektor wurde. Vor zehn Jahren hatte man in Arosa noch ein klassisches Tourismusbüro, mittlerweile ist es eine Art Eventagentur mit total 35 Arbeitsplätzen.

Christian Menet ist Jennys Chef. Der Präsident von Arosa Tourismus und Besitzer des Hotel Prätschli in Arosa bestätigt, dass seit der Euro-Krise 2008 zum Beispiel rund 50 Prozent der Touristen aus Deutschland ausgeblieben sind. «Pascal Jenny konnte durch seine hervorragende Arbeit diese Touristenflaute, die im ganzen Land herrschte, zum Beispiel mit einer Zunahme bei den Schweizer Gästen etwas abfedern», so Menet. Arosa sei durch Jenny und dessen Events bekannter geworden.

Bärenland ist sein Baby

Weiter sagt Menet über den Wohler Jenny: «Er ist ein super Typ, hat immer gute Ideen. Dass er schon seit zehn Jahren hier ist, sagt eigentlich alles. Ein Tourismusdirektor ist eher selten so lange am selben Ort. Jenny ist ein Schaffer und hat einen unglaublichen Durchhaltewillen.» Er nimmt jede Hürde, weil er es will. So hat er es auch beim Bärenland gemacht.
Die Bedienung im «Blatter’s Bellavista» bringt Pascal Jenny noch einen Espresso. Die Dauer des Interviews beträgt mittlerweile 50 Minuten. Tourismusdirektor Jenny, der im Zentralvorstand des Schweizerischen Handballverbandes sitzt und zudem im Exekutivrat von «Swiss Olympic» hat viel Spannendes zu erzählen. Über das Bärenland wurde noch nicht gesprochen. Dann folgt die Frage, wie er auf die Idee gekommen ist, dass man in Arosa Bären ein neues Zuhause geben kann. Und nun sprudelt es aus ihm heraus Noch mehr als zuvor. Man spürt: Das Bärenland ist sein Baby, sein Stolz.

Ein Heim für misshandelte Tiere

2010 sei erstmals die Idee aufgekommen. Arosa wollte den Bären des Bärengrabens in Bern Asyl geben. «Es war nur ein erster Gedanke.» Dann gab es eine Millionenspende für ein mögliches Bären-Projekt. Nun war es Zeit für ernsthafte Gedanken. 2012 wurde ein erster Vorschlag von der Bürgergemeinde Arosa abgelehnt. Das Bärenland war damals ausserhalb der touristisch genutzten Zone geplant. Jenny gab nicht auf. Weitere Standorte wurden geprüft. Und man wurde fündig bei der Mittelstation der Weisshorn-Gondelbahn.
Gemeinsam mit der Tierschutzorganisation «Vier Pfoten» scheute Jenny keine Mühe, um die Bären nach Arosa zu holen. Im November 2016 folgte eine weitere Abstimmung. 80 Prozent der Bevölkerung von Arosa sagte Ja. Jenny, der Mann für alle «Felle», hat es geschafft und das erste Schweizer Bärenschutzzentrum realisiert.
Rund drei Hektaren (zirka vier Fussballfelder) gross ist das Bärenland. Ab Sommer 2018 werden bis zu fünf – aus misslichsten Verhältnissen gerettete – Bären zum Beispiel aus Frankreich, Italien und Spanien ein neues und artgerechtes Zuhause erhalten.

Gondelbahn fährt über das Gehege

Die mitreissende und emotionale Geschichte dieser misshandelten Tiere wird im Bärenland erzählt. Es gibt eine Plattform, von der man die Tiere beobachten kann – und die Gondelbahn fährt direkt über das Gehege. Finanziert wird das 6,5-Millionen-Franken-Projekt von «Vier Pfoten», zwei weiteren Stiftungen, welchen das Tierwohl am Herzen liegt, dem Kanton (1,2 Millionen) und weiteren Kleinspendern. Der Unterhalt, der zwischen 0,5 und 0,75 Millionen Franken pro Jahr kostet, ist durch drei Einnahmequellen gesichert: «Eintritt, Sponsoren und Spender», sagt Jenny.
Es werden mindestens vier Arbeitsstellen geschaffen (drei Tierpfleger und eine Leitungsperson). Mitte Juli wird der erste Bär einziehen. Am 3. August eröffnet die Freiämter Bundesrätin Doris Leuthard die Anlage. «Es ist eine Win-win-win-win-Situation», sagt Jenny. Der Tierschutz «Vier Pfoten» freut sich, die Tiere haben ein neues Daheim und es ist für die Touristen eine Attraktion. Dies kommt wiederum Arosa zugute.

Atmosphäre wie nach einem Handballspiel

Als Tourist ist man in der Bündner Gemeinde ohnehin verwöhnt, wenn es um die Tierwelt geht. In Arosa gibt es viele Eichhörnchen, Adler und Steinböcken – und nun auch noch Bären.
Ähnlich wie beim Humorfestival wirkten auch beim Bärenland diverse Wohler Unternehmen mit. Die Werbeagentur «Küttel Laubacher» half mit, «Wagner Schriften» beklebte die Gondelbahnen bärengerecht. Er habe Vertrauen in die Geschäfte aus Wohlen.
Das Bärenland ist ein weiterer Meilenstein in der besonderen Liebesgeschichte zwischen Pascal Jenny und Arosa. Er habe noch viel vor. In seinem «grandiosen Team» herrsche eine Atmosphäre wie nach einem Handballspiel. Die Atmosphäre nach einem Sieg wohlgemerkt. Jenny und Arosa, das passt. Deswegen sagt sein Chef Christian Menet auch: «Pascal Jenny darf ruhig weitere zehn Jahre hier bleiben.»

Von: Stefan Sprenger


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