«Ich bin noch am Leben»

  13.04.2018 Berikon

Berikon: Grosseinsatz der Polizei beim Berimärt

Wegen eines verdächtigen Gegenstands ging am letzten Dienstagabend rund um Berimärt und Bahnhof gar nichts mehr. Schnell machte die Rede von einem «Bombenalarm» die Runde. Der verdächtige Gegenstand erwies sich zum Glück als harmlos.

Erika Obrist

Frierend steht Marcel Huber beim Nebeneingang des Berimärts. Die frische Abendluft kriecht die nackten Oberarme hoch. Er möchte heim. Sein Auto steht auf dem Parkplatz beim Bahnhof. Er kommt nicht hin: Bahnhofstrasse abgesperrt, Bahnhofsareal abgesperrt.

Gespenstische Ruhe statt Feierabendhektik am letzten Dienstagabend. Zwei Polizeiautos im Kreisel Berimärt. Weitere auf der Kreuzung, beim Bahnhof, vor der Post. Uniformierte im Kreisel, vor dem Berimärt, auf der Mutschellenkreuzung, beim Bahnhof, vor dem Gewerbehaus Doppelpunkt. Mit rot-weissen Bändern sperren sie sämtliche Auf- und Abgänge zu den Unterführungen ab. Dann die Fahrbahnen.

Logenplatz für Restaurantgäste

Gegen 19.45 Uhr begibt sich ein Polizist in den Coop. Er fordert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf, den Laden zu schliessen. Es dauert einige Zeit, bis die verderblichen Waren in den Kühlern verstaut sind. Die Gäste nebenan im Restaurant können bleiben. Sie haben einen Logenplatz, bis die Chefin gegen 21 Uhr schliesst.

Gegenüber beim Gewerbehaus Doppelpunkt wird im ersten Stock noch gearbeitet. Ein Polizist richtet den Strahl seiner Taschenlampe auf das beleuchtete Fenster. Dieses öffnet sich. Der Polizist fordert die beiden Mitarbeiterinnen auf, sich in den hinteren Gebäudeteil zu begeben.

Die Feuerwehr Mutschellen braust heran und richtet sich vor dem «Grüenegg-Center» ein. Der Verkehrsdienst schickt die Autofahrer, die sich vom Dorf her dem Kreisel nähern, zurück. «Was ist denn passiert?» Keine Antwort. «Verlassen Sie sofort den Platz!», fordert ein Polizist unmissverständlich. Auch die Leute, die vom Zug kommen, werden angehalten, unverzüglich nach Hause zu gehen. Eine Ambulanz nähert sich. Am Ende des Abends sind mehrere Patrouillen von Kantons- und Regionalpolizei vor Ort, rund vierzig Angehörige der Feuerwehren Mutschellen und Rudolfstetten sowie mehrere Ambulanzen.

Es wird ein dunkler Spazierweg
Eine ältere Frau möchte wissen, wie sie nach Widen kommt, wo doch kein Durchkommen ist über oder unter der Mutschellenkreuzung. Und sie möchte ihren Mann informieren, «dass ich noch am Leben bin, dass es aber später werden wird heute». Ein Handy ist rasch gefunden. Sie ruft ihren Mann an. Er möchte sie abholen. Das geht nicht: kein Durchkommen. Ein Feuerwehrmann kann helfen. Sie muss zu Fuss Richtung Rudolfstetten und die Unterführung Querstrasse benutzen. «Diese ist offen.» Das wird ein dunkler Spaziergang.

Es wird unangenehm kühl. Feuerwehrleute und Polizisten beim «Grüenegg-Center» sind unablässig am Telefonieren. Bald einmal kommt gar kein Auto mehr. Den Postautos ist die Zufahrt zum Bahnhof verwehrt.

Nur ein paar Neugierige, die wissen wollen, was vorgeht, sind noch da. Jemand will etwas von einem Bombenalarm gehört haben.

Nach rund zwei Stunden trifft das Auto mit der Einsatzleitung der Kantonspolizei ein. «Es dauert halt, bis alle Leute aufgeboten sind und sie das Material gefasst haben», sagt der Mediensprecher Daniel Saridis, der ebenfalls vor Ort ist. Ein Postautochauffeur habe im Bus eine herrenlose Tasche mit verdächtigem Inhalt gefunden. Zwischen 19 und 20 Uhr habe er diese einer Patrouille der Regionalpolizei übergeben. «Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich darin ein Sprengsatz befindet, wurde das Gebiet rund um Berimärt und Bahnhof weiträumig abgesperrt», so Daniel Saridis weiter.

Kein sprengfähiges Material in der Tasche

Die verdächtige Tasche lag beim Bushäuschen Berimärt an der Bahnhofstrasse. Spezialisten des forensischen Dienstes Zürich untersuchten den Inhalt der Tasche mithilfe eines Roboters. «Es war kein sprengfähiges Material in der Tasche», kann Saridis schliesslich zur Erleichterung aller mitteilen. Der verdächtige Inhalt entpuppte sich als Elektronikteile.

Während der Untersuchung steht der Hubretter der Feuerwehr Mutschellen parallel zu den Bahngleisen quer auf der Bahnhofstrasse. «Als Splitterschutz, falls es eine Detonation gegeben hätte», erklärt der Mediensprecher. Die Züge selber verkehren fast planmässig, nur während der Untersuchung werden sie kurz auf der Strecke angehalten. Nach rund drei Stunden, kurz vor 23 Uhr, ist der Einsatz beendet. Wenn es um die Sicherheit geht, spielt Tempo keine Rolle. Polizisten und Feuerwehrleute beginnen mit dem Entfernen der Absperrbänder.

Langer Feierabend-Kaffeehalt
Die ganze Zeit des Einsatzes über ist Marcel Huber vom Friedlisberg ein interessierter Betrachter aus sicherer Entfernung. Er hat einen bemerkenswerten Tag hinter sich. Am frühen Abend ist er mit dem Auto von Bergdietikon nach Widen unterwegs – und fährt an einen Unfall heran. Er regelt den Verkehr, bis ihn die Polizei ablöst. Dann fährt er weiter zum Bahnhof Berikon-Widen und stellt sein Auto dort ab. Anschliessend gönnt er sich einen Feierabendkaffee im Restaurant Berimärt. Zuerst drinnen und dann draussen verfolgt er das Geschehen. Eine Jacke hat er nicht dabei. Er friert von Minute zu Minute mehr. Nach Hause kann er erst, als Polizei und Feuerwehr die Bahnhofstrasse und den Zugang zum Bahnhof wieder freigeben und er in sein Auto steigen kann.


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