Westernreiten: Zurfluh mit grossen Zielen

  05.05.2017 Pferdesport

Der Bulle von Berikon

Der Tod klopfte an seine Türe. «Und sagte mehr als nur Hallo», so der 35-jährige Bruno Zurfluh. Er geht zum Arzt. Dieser rät ihm, die braunen Flecken am Hals mal zu zeigen. «Als Vorsichtsmassnahme», wie der Beriker erzählt. Es wurden Proben der Haut genommen und ins Labor geschickt. An einem Samstagnachmittag erhielt Zurfluh einen Anruf seines Arztes, er solle sofort in die Praxis kommen. «Ich dachte mir nichts Böses dabei.»

«Ich lag mit Sterbenden im Zimmer»
In der Praxis erhält er die heftige Diagnose. Schwarzer Hautkrebs. Eine der aggressivsten Krebsarten, die es gibt. «Wenn es Ableger gibt, ist es das Todesurteil.» Zurfluh wird ins «Zürcher Uni-Spital eingeliefert. «Ich lag mit sterbenden Menschen im Zimmer. Das hat mich geprägt. Ich sehe die Welt heute anders», so der frühere Spitzensportler. Zurfluh hat Glück im Unglück. Keine Ableger. Der Krebs wird operativ entfernt und tritt bis heute nicht mehr in seinem Körper auf. «Ich rege mich nicht mehr so schnell auf, bin viel ruhiger und sehe das Leben positiv.»
Im Spitalbett hat er sich gefragt: «Was will ich im Leben?» Und hatte die Antwort: «Westernreiten. Denn das erfüllt mich.» Vor 10 Jahren hatte er das erste Mal intensiv mit Pferden zu tun. Auf einer Ranch eines Freundes in Brasilien versuchte er sich als Cowboy. Er musste unter anderem auf dem Pferd sitzend Rinder eintreiben. «Das macht riesig Spass. Und ab da war ich dem Reit-Virus verfallen.»

Er verliebte sich in das «Reining»
Als er dann an einem Westernreit-Turnier war, war es um ihn geschehen und er verliebte sich in die Sportart. Weil seine Freundin früher auch geritten ist, hatte das Paar nun ein gemeinsames Hobby.
Gesund zurück in seinem Wohnort Berikon, fing er an, seinen Traum zu verwirklichen. Den Traum, einmal der beste Amateur-Westernreiter in der Disziplin «Reining» zu werden. Er hatte zuvor schon Kontakte zu Reitern. Zurfluh baute sein Netz weiter aus. Heute besitzt er zwei Pferde. Eines ist in Ottenbach, eines in Süddeutschland. «Ich trainiere, so oft ich kann, beinahe täglich», sagt der Bauführer, der bei der Hoppler AG in Zufikon arbeitet.

«Ich brauche keine Ferien»
Am letzten Wochenende bestritt er seinen ersten Wettkampf und schwang seine 110 kg und knappe 1,90 m auf das Pferd. Für das Tier sei das Gewicht nicht schädlich. Er nehme Rücksicht und will weiter abnehmen (er wog vor einem Jahr 130 kg). Zweimal ein Nuller-Score. «Ich machte zwei Fehler, bin aber trotzdem zu-frieden.» Zurfluh weiss, dass er noch viel dazulernen kann. Und das will er auch. In Zukunft will er europaweit an Turnieren teilnehmen. «Meine Ferien widme ich nur dem Westernreiten. Aber das ist kein Problem. Für mich ist das Erholung. Ich brauche «keine Strandferien.» Drei Jahre gibt er sich selbst Zeit, dann will er der
beste Nicht-Profi im Westernreiten sein. «Mit Fleiss und gutem Training schafft man es an die Spitze – irgendwann. Dann ist es egal, ob man Quereinsteiger ist oder nicht.»
Er setzt sich Ziele. Wie die meisten Spitzensportler. Und Zurfluh hat sein ganzes Leben lang intensiv Sport getrieben. Leichtathletik. Anschieber im Bob von Martin Annen. Boxen. Kickboxen. Strongman-Athlet. Sein grösster sportlicher Erfolg war der Schweizer-Meister-Titel im Kickboxen. Mit dem früheren Bob-Spitzenpiloten Martin Annen wurde er ebenfalls Schweizer Meister und konnte einen Weltcup-Sieg im Eiskanal feiern. Er nahm zudem an Welt-und Europameisterschaften teil. Als Aushilfe war er auch beim Hägglinger Olympia-Piloten Daniel Schmid im Bob. «Ein feiner Typ, der Dani», sagt Zurfluh lächelnd.

Der «breite Kasten» fällt auf
Diese Zeiten hat er hinter sich. Bruno Zurfluh, der in einem 1700-Seelen-Dorf in Uri aufgewachsen ist, will nun auf das Westernreiten setzen. Und bei den «Rösselern» fällt er auf. «Viele schmunzeln und schauen, wenn ich auf dem Pferd sitze», erzählt er lächelnd. Wenn sie dann erkennen, dass der «breite Kasten» etwas auf dem Kasten hat, dann kriegt er Komplimente – und noch mehr Blicke. «Es ist eine schwierige Sportart. Und erstmals betreibe ich einen Sport mit einem Tier, einem feinfühligen Tier. Das ist eine riesige Herausforderung, die ich gerne annehme.»
Er trainiert gemeinsam mit zwei der besten Trainern der Westernreit-Welt, Phil Küng aus Ottenbach und Ludwig Grischa, Deutschland. «Von ihnen kann ich gigantisch viel profitieren», so Zurfluh. Als ehemaliger Spitzensportler trainiert er auch ohne das Pferd. «Das machen nur wenige Reiter – leider.» Er versuchte, andere Reiter, die in einem schlechten konditionellen Zustand sind, zu animieren, und hat extra dafür ein Athletik-Programm erstellt.
Ob er sein Ziel erreicht oder nicht – eines ist klar: Zurfluh wird alles geben und Spass haben. Und seit seiner heftigen Zeit im Kampf mit dem Krebs hat er auch eines gelernt: «Man sollte das Leben nicht so eng sehen. Wichtig ist es, ein Ziel zu haben.»

Stefan Sprenger


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote