Bez-Schüler Cyrill Suter auf 12-tägiger Radtour

  06.05.2017 Region Wohlen

Eine persönliche Tour de Suisse

«Ich bin selbstbewusster geworden, kommunikativer und fitter.» Selten hat das Sprichwort «Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir» so gut gepasst wie im Fall von Cyrill Suter.
Mit Fahrrad und öV war er in der Schweiz und in Liechtenstein unter­ wegs, hat in Jugendherbergen über­ nachtet und sich dort verpflegt. Das alles im Rahmen seiner Abschluss­ arbeit für die Bezirksschule. «Es war aufwendig, hat aber Spass gemacht», sagt er. Als «extreme Erfahrung» be­schreibt er das Gefühl, zwölf Tage auf sich allein gestellt zu sein.

Verbindung von Hobby und Schule
Die Idee zu diesem Projekt kam dem leidenschaftlichen Velofahrer, als er mit dem Fahrrad zu seinen Gross­eltern nach Luzern unterwegs war. Wieso nicht die ganze Schweiz mit dem Velo bereisen? «Ich lebe in der Schweiz und wollte die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes se­ hen und viele kulturelle Facetten kennenlernen», sagt Suter. Sein High­ light auf den zwölf Etappen war das Matterhorn. «Ich kannte es nur von Bildern. Es ist gewaltig, wenn man in Zermatt davorsteht.» Als Grundlage diente ihm die touristische Route der «Grand Tour of Switzerland». Diese ist für eine Reise mit dem Auto ge­ dacht. Er hat die Tour für das Fahr­ rad angepasst. Orte, die ihm weniger zugesagt haben, hat er gestrichen. Was nicht zur Tour gehörte, ihn aber interessierte, hat er dazugenommen. Grössere Strecken hat er mit dem öV zurückgelegt. Über 960 Kilometer fuhr er mit dem Fahrrad. Basel, De­ lémont, La Chaux­ de­ Fonds, Nyon, Sion, Zermatt, Interlaken, Luzern, Bellinzona, St. Moritz, Davos, St. Gal­ len und Bad Zurzach sind nur eine Auswahl der Orte, die er abgefahren ist, Überall inklusive Sehenswürdig­ keiten wie das Uhrenmuseum, das Schloss Chillon oder den Rheinfall zu besuchen.
«Ich konnte mit dem Projekt zahl­ reiche Schulfächer und Hobbys ver­binden», sagt Suter. Bei der Planung benötigte er Geografie und Mathema­tik, um die Routen zu berechnen. «Ich fotografiere und filme gern.» Deshalb hat er die Fahrt schriftlich und visuell dokumentiert und unter­ wegs viel über die Geschichte des Landes gelernt.

Theorie ungleich Praxis
Die wichtigsten Erfahrungen kamen auf der Fahrt dazu. «Ich bin ein Per­ fektionist», sagt Suter. Die Reise wur­ de bis ins letzte Detail geplant. «Mein Vater hat mir davon abgeraten und gesagt, ich sollte nur eine grobe Struktur erstellen.» Im Nachhinein haben sich die Worte des Familien­ oberhaupts als richtig rausgestellt. «Mit der Zeit habe ich einsehen müs­ sen, dass ich nicht alles planen kann, und habe oft improvisiert.» Beispiels­ weise, als er sich in Genf verfahren hat. «Ich hatte Glück im Unglück», so Suter.
Da der Schüler kein Handy­Abo hat, musste er sich während der Rei­ se mit abgespeicherten Karten und Wegweisern durchschlagen. Was ihm ansonsten sehr gut gelungen ist, ging in Genf schief. Auf der Suche nach dem Jet d’Eau hat er sich verfahren. «Plötzlich sah ich eine aufgeregte Menschenmenge.» Er war gerade rechtzeitig beim Jet d’Eau angekom­ men, um zu sehen, wie die Fontäne eingeschaltet wird. «Ich wusste nicht, dass es da Zeiten gibt, in denen der Jet d’Eau nicht läuft. Hätte ich mich nicht verfahren, hätte ich ihn nicht gesehen.»

Vorteile der Jugis, Nachteile des Wetters
Auch bei der Planung der Etappen unterschied sich die Theorie deutlich von der Praxis. «Ich habe mich ge­ fragt, ob ich mir nicht zu grosse Dis­ tanzen zumute», sagt Suter. «Die wa­ ren weniger problematisch als der Gegenwind oder die Höhenmeter, die ich bei der Planung ausser Acht ge­ lassen habe.» Zusammengerechnet absolvierte er 10 000 Höhenmeter.
 Auch das Gepäck wurde zur Her­ausforderung. Ein Picknickkorb auf dem Lenker des Fahrrads, um Le­ bensmittel mitzunehmen, eine Kiste «auf dem Gepäckträger, für Fotoappa­
rat, Handy und technisches Zubehör und eine Fahrradtasche für Kleider und Hygieneartikel. «Ich konnte selbstverständlich nicht Kleider für zwei Wochen mitnehmen», sagt er. «Ein T­Shirt kann man notfalls auch zwei Tage tragen. In den Jugendher­ bergen hatte ich die Möglichkeit, Wä­ sche zu waschen.» Um nicht zu viele Lebensmittel mitnehmen zu müssen, hat er sich meist in den Jugendher­ bergen verpflegt. Mit der Zeit wusste er, wie er sein Gepäck besser verstau­ en kann. Zusätzliches Gewicht gab es dennoch. «Immerhin bin ich dadurch fitter geworden», sagt er mit einem Augenzwinkern. «Wenn ich von der Schule nach Hause fahre, muss ich das Velo bergauf nicht mehr stos­sen.»

Keine Einsamkeit – mehr Selbstvertrauen
Grössere Probleme hatte er nie. «Ich hatte sehr viel Glück», sagt Suter. «Kein Unfall, kein Platten. Es hätte schlimmer kommen können.» Das grösste Problem war die Witterung. «Die ersten paar Tage hatte ich sehr gutes Wetter», sagt er. «Gegen Ende der Tour wurde es immer schlim­ mer.» In seinem Reiseblog heisst es nach den ersten Tagen: «Der Sonnen­ brand kommt schneller als erwartet.» Ein paar Tage später schreibt er über Schneefälle. Einsam hat er sich nicht gefühlt. «Manchmal tat es gut, für sich zu sein. Ansonsten konnte ich
am Abend mit Eltern und Kollegen telefonieren. Ein Kollege hat mich so­ gar in einer Jugi besucht, um mir eine Freude zu machen.» Der 16­Jäh­ rige ist der Meinung, selbstbewusster zu sein als vor der Tour. «Ich musste alles selbst lösen», sagt er. So war beispielsweise ein Ticket für die Jungfraubahnen zu teuer für sein be­ grenztes Budget. Er fragte nach, ob sie ihm eine Vergünstigung für sein Projekt geben können. Am Ende hat er es geschafft, dass ihm die Jung­ fraubahnen das Ticket geschenkt ha­ ben. Eine so grosszügige Geste habe er nicht erwartet.
Seine Eltern haben ihn von Anfang an bei der Idee unterstützt und ihm die Durchführung der Tour zuge­ traut. Die Tour selbst würde er so nicht mehr wiederholen. «Ich würde doppelt so viel Zeit einberechnen», sagt er. «Ich habe zu viele Dinge in­ nerhalb kurzer Zeit gesehen und konnte sie nicht richtig geniessen. Dafür weiss ich jetzt, was ich mir noch mal ansehen werde.»

Projekt innerhalb Projekts
Suter finanziert sich mit Website
Um Geld für die Finanzierung seines Projekts zu verdienen, ist Cyrill Suter kreativ geworden. Er hat eine Web­ site ins Leben gerufen, wo man ihn für diverse Arbeiten buchen kann. «Rasen mähen, den Keller aufräu­ men, bei den Hausaufgaben helfen. Für solche Arbeiten kann man mich buchen.» Auf der gleichen Website kann man auch ein Fotobuch seiner Reise erwerben. «Einen Teil des Gel­
des musste ich ausleihen. Buchen kann man mich bis Ende Jahr. Das Fotobuch kann man jederzeit bestel­ len.» Auf der gleichen Seite kann man Fotos der Reise anschauen und eben­ so das Reisetagebuch von Suter einse­ hen.

Weitere Informationen über die Tour gibt es unter http://cyrillsuter.wixsite.com/grandtour.


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